Es ist aus der Chirurgie und der sich im vorigen Jahrhundert konsolidierenden Zahnmedizin entstanden. Nach 1918 beschäftigten sich die Chirurgen und Zahnärzte mit den Nachbehandlungen der Kiefer-/Gesichtsverletzten. Die erste Kieferklinik Europas war 1914 in Wien zur Versorgung der Kriegsverletzten von dem Chirurgen Anton Freiherr von Eiselsberg (1860–1939) gegründet und mit seinem Schüler Hans Pichler (1877–1949) besetzt worden. 1 918 wurde die Kieferstation in Düsseldorf in die Westdeutsche Kieferklinik umgewandelt. Ihr Vorsteher wurde August Lindemann (1880–1970). 1925 wurde in Berlin die zweite kieferchirurgische Fachklinik im Rudolf-Virchow-Krankenhaus gegründet, der Martin Waßmund (1892–1956) vorstand. 1930 wurde in der Charité Berlin die dritte Fachklinik eingeweiht. Als Chefarzt wurde Georg Axhausen (1877–1960) gewählt.
Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete auch das Ende der Kriegschirurgie. Die Chirurgen und Zahnärzte waren nach dem Kriegsende jedoch noch lange Zeit mit der definitiven Versorgung schwerer Kiefer- und Gesichtsverletzten beschäftigt. Die operativ tätigen Kriegszahnärzte verloren in der Friedenszeit ihre Selbständigkeit. Da sie nicht doppelapprobiert waren, wurden sie einem Facharzt für Chirurgie oder einem doppelapprobierten Facharzt unterstellt. Eine junge Generation von Kieferchirurgen — unter der Führung von Martin Waßmund — setzte sich für eine eigenständige Kieferchirurgie ein, losgelöst von der „grossen Chirurgie“. Die Aufnahme der Berufsbezeichnung „Gesichts- und Kieferchirurgie“ stieß auf Widerstand der plastischen Chirurgen. Sie verlangten, dass sich das Arbeitsgebiet des doppelapprobierten Kieferchirurgen nur auf die Zähne, den Kieferknochen und das Kiefergelenk beschränken sollte. Jedoch konnte sich Waßmund durchsetzen, womit der Grundstein für die Schaffung eines Facharztes für Kieferchirurgie und eine eigene Standespolitik in Deutschland, Österreich und der Schweiz gelegt wurde.
Kriegsverletzungen im Ersten Weltkrieg
Fortschritte in der Gesichtschirurgie von Kriegsverletzten